1. Bismarcks Außenpolitik
a. Ziele und Strategie
Die Ziele der
Außenpolitik Bismarcks waren die Sicherung von Ruhe und Frieden in Europa unter
Erhaltung der halbhegemonialen Stellung des Deutschen Reiches. Die bestehenden
Großmächte sahen sich durch das neue Deutsche Reich gefährdet. Zur Beruhigung
proklamierte Bismarck: “Deutschland ist saturiert!”. Das heißt, es hat
keine expansiven Wünsche mehr.
Desweiteren
verzichtete Bismarck auf eine Kolonialpolitik und konzentrierte sich auf die
Schaffung einer Situation in der die Beziehungen europäischer Mächte
untereinander eine Allianz gegen das Deutsche Reich unterbanden. Hierfür musste
Bismarck die Beziehungen zwischen Russland und Österreich-Ungarn stabilisieren
und Frankreich isolieren. Bismarck nutzte die Gegensätze zwischen den
europäischen Großmächten aus, um durch Defensivbündnisse seine Ziele zu
erreichen.
b. Bündnissystem
1879: Zweibund
(Österreich-Ungarn/Deutschland)
Defensiv Bündnis; Volle gegenseitige Unterstützung bei einem Angriff
Russlands auf Ö-U/D; Neutralität in allen anderen Situationen
1881: Dreikaiserbündnis
(Österreich-Ungarn/Deutschland/Russland)
Gegenseitige Neutralität bei Krieg mit einer
vierten Macht; Zuspruch Interessensphären: Russland → Bulgarien, Ö-U →
westlicher Balkan
1882: Dreibund
(Österreich-Ungarn/Deutschland/Italien)
Nach dem Vertrag gilt ein Angriff Frankreichs auf
Italien als Bündnisfall für die beiden anderen Partner. Im gleichen Fall erhält
Deutschland Italiens, aber Hilfe von Ö-U. Bei dem Angriff einer anderen
Großmacht soll Neutralität bewahrt werden.
1887:
Rückversicherungsvertrag
(Deutschland/Russland)
Geheimes Neutralitätsversprechen zwischen Russland
und Deutschland.
2. Weltmachtpolitik unter Wilhelm II
a. Entlassung Bismarcks
Seit der
Ernennung Wilhelm II. zum Kaiser, hatten die Uneinigkeiten bezüglich der
politischen Orientierung immer mehr zugenommen. Bismarck verlangte eine
Verschärfung der Sozialistengesetze und Fortführung des Kulturkampfes, während
Wilhelm bei beiden Punkten für eine Aufhebung plädierte.
Das
außenpolitische System empfand Wilhelm als “unehrlich” und “kompliziert”,
weshalb er trotz Warnungen Bismarcks eine starke Bindung an Österreich-Ungarn
anstrebte. Der Streit fand seinen Höhenpunkt und sein Ende mit der Entlassung
Bismarcks am 18. März 1890. Die Entlassung Bismarcks markiert den Beginn
der wilhelminischen Epoche.
b. Weltpolitik
i. Flottenpolitik.
Begleitet von der
massiv antibritischen Propaganda des Deutschen Flottenvereins setzte
Großadmiral Tirpitz alles auf den Ausbau der Kriegsflotte. Der deutsche Vorstoß
auf See bedeutete eine empfindliche Störung des internationalen Gleichgewichts.
Zwar herrschte seit dem ersten Flottengesetz von 1898 bereits allgemein ein
Klima der Aufrüstung, aber mit dem Ausbau der Flotte verstärkte Deutschland den
Konflikt mit Großbritannien, dessen Hegemonie zu See als
"Naturrecht" der Inselnation bislang akzeptiert worden war.
ii. Kolonialpolitik
Nach 1890 betrieb
Wilhelm II. eine imperialistische Kolonialpolitik (“Platz an der Sonne”) und
trat damit in Konkurrenz zu den anderen Großmächten. Der Besitz von Kolonien
sollte jetzt der deutschen "Weltgeltung" dienen. Der wirtschaftliche
Nutzen der deutschen Kolonien war äußerst gering, während die politischen
Konsequenzen der Kolonialpolitik sich als extrem negativ erwiesen.
In China
gab es kaum Konflikte zwischen Deutschland und den anderen Weltmächten.
Vielmehr handelte es sich um eine gemeinsame Ausbeutung des Chinesischen
Reiches.
Im Gegensatz zu
China kam es in Afrika im Zuge der ersten und zweiten Marokkokrise
beinahe zur Eskalation. Durch den Sudanvertrag zwischen Großbritannien und
Frankreich von 1899 hatte sich Frankreich den Einfluss in Marokko gesichert.
Indem Wilhelm II. am März 1905 Tanger besuchte, unterstrich er seine
Forderungen nach einem Mitspracherecht in Marokko. Die erste Marokkokrise
endete damit, dass die wirtschaftliche Vorherrschaft Frankreichs in Marakko
verhindert wurde.
1911 kam es nach
der Besetzung der Städte Fès und Rabat durch Frankreich zur zweiten
Marokkokrise, als Wilhelm II. den Befehl gab, das deutsche Kanonenboot
“Panther” nach Agadir zu entsenden (auch “Panthersprung”). Ziel war die
Abtretung von französischen Kolonien an das Deutsche Reich als Gegenleistung
für die Akzeptanz der französischen Herrschaft in Marokko. Da Frankreich nicht
zu den erhofften Zugeständnissen bereit war, drohte Deutschland offen mit
Krieg. Zur Beilegung der Krise kam es am 5.November 1911 durch
Marokko-Kongo-Vertrag, in dem das Deutsche Reich auf seine Ansprüche in Marokko
verzichtete und dafür mit einem Teil der Kolonie Französisch-Äquatorialafrika
entschädigt wurde.
iii. Bündnispolitik
Insgesamt war die
deutsche Bündnispolitik von vielen Widersprüchen geprägt. Es wurde oft um
England oder Russland als Bündnispartner geworben, aber eine Annäherung
scheiterte immer wieder aufgrund der aggressiven Expansionspolitik. Obwohl
Wilhelm den Rückversicherungsvertrag mit Russland nicht verlängert hatte und
dem Zaren durch den Helgoland Sansibar Vertrag mit Großbritannien Gründe zur
Beunruhigung gab, wollte er sich später wieder dem Zarenreich annähern. Dieser
so genannte “Zickzackkurs” wurde auch in der Beziehung zu Großbritannien
deutlich. Der Annäherungsversuch durch die Schließung einiger Verträge stand
der Flottenpolitik und dem ungeschicktem Verhalten des Kaisers gegenüber
(Krüger Depesche 1896).
c. Militarismus unter Wilhelm II
Die deutsche
Gesellschaft unter Wilhem II. wurde vor allem durch militärische
Wertvorstellungen dominiert. Es wurde ein striktes hierarchisches, auf Befehl
und Gehorsam beruhendes Denken vermittelt. Die Betonung des Rechts des
Stärkeren und die Vorstellung, Kriege seinen notwendig oder unvermeidbar wurde
vor allem durch den Flottenverein propagiert.
d. Zerfall von Bismarcks Bündnissystem
1879: Zweibund (Österreich-Ungarn/Deutschland)
1882: Dreibund
(Österreich-Ungarn/Deutschland/Italien)
1893: Französisch-Russische
Konvention
Zustimmung zur militärischen
Zusammenarbeit
○
militärischer
Beistand im Falle eines Angriffs durch einen der
Dreibundstaaten
○
Austausch von Spionagematerial
1902: Neutralitätsabkommen
(Frankreich/Italien)
○ Zusicherung zur gegenseitigen Neutralität
im Falle eines Krieges
1904: Entente Cordiale (England/Frankreich)
Regelung der Einflussgebiete in Afrika
○
Marokko - Frankreich
○
Ägypten - England
○ Zusicherung des freien Verkehrs durch den
Sueskanal sowie durch die Straße von Gibraltar
1907: Englisch - Russische Konvention
(England/Russland)
○ Einigung auf die Abgrenzung der
Interessensphären in Zentralasien
○ Grundlage für das britisch-russische
Kriegsbündnis von 1914
○ Erweiterung der Entente Cordiale zur Triple
Entente (Großbritannien/Frankreich/Russland)
1915: Auflösung des Dreibunds
Eintritt Italiens in den 1. Weltkrieg auf Seiten der Entente
Die
Weltmachtpolitik unter Wilhelm II, aber auch die Interessen der anderen
Großmächte führen zur Isolierung Deutschlands und lassen ein neues
Bündnisgefüge entstehen.
3. Imperialismus
a. Definition
Imperialismus ist
das Bestreben eines Staates, seinen Einfluss auf andere Länder oder Völker
auszudehnen, bis hin zur Unterwerfung und Eingliederung in das eigene Umfeld.
Dafür ist eine ungleiche, wirtschaftliche, kulturelle und territoriale
Beziehung notwendig. (Ausbeutung/neue Märkte).
i. Ideologien
Darwins Lehre
"The Survival of the Fittest" bezog sich auf die Evolution von
Tieren, wurde aber auch auf Staaten übertragen. Aus dem Durchsetzten des
Angepassteren wurde ein Durchsetzen des Stärkeren und ein Vorrecht des
Stärkeren postuliert. Dies nennt man Sozialdarwinismus. Aus der Vererbungslehre
von Mendel wurde eine Rassenhierarchie entwickelt, nach der das eigene Volk
über den anderen Völkern steht. Dieser Rassismus erlaubte die
Ausbeutung, die Unterdrückung und das Töten der als minderwertig erklärten
Völker ohne Gewissenskonflikte.
ii. Voraussetzungen
Der technische
Fortschritt während der industrielle Revolution schaffte die
Voraussetzungen für den Imperialismus. Bessere Waffen, effizientere
Transportsysteme und schnellere Kommunikationssysteme ermöglichten die
Beherrschung großer Gebiete und die flächendeckende Ausbeutung von Ressourcen.
Der technische Vorsprung bewies die scheinbare Überlegenheit der
industrialisierten Länder, da nur diese im Besitz der neuen Techniken waren.
b. andere Länder
i. Frankreich
Der Imperialismus
in Frankreich strebte die Wiederherstellung des Weltmachtstatus an und beruhte
ideologisch auf der Konkurrenz zum Erzfeind Großbritannien. Nach dem
siebenjährigen Krieg musste Frankreich zahlreiche Kolonien in Amerika und
Indien an Großbritannien abtreten. Nun konzentrierte sich Frankreich verstärkt
auf Afrika und bemühte sich um Allianzen gegen das Deutsche Reich.
ii.Russland
Im Laufe des 19.
Jahrhunderts weitete Russland seinen Einflussbereich nach Sibirien bis ans
japanische Meer, nach Zentralasien und in den Kaukasusraum aus. Die eroberten
Gebiete wurde russifiziert. Nach dem verlorenen Krimkrieg machte sich Russland
die Bewegung des Panslawismus zu eigen, um seinen Einfluss in
Mitteleuropa und auf dem Balkan zu stärken. Außerdem erstrebte Russland einen
eigenen Zugang zum Mittelmeer.
iii. Großbritannien
Die Motive für
die imperialistischen Bestrebungen waren wirtschaftlicher Natur. Die Sicherung
des Handels und somit die ständige Suche nach Rohstoffen und Absatzmärkten
hatte Priorität. Durch die Flottenpolitik Deutschlands sah Großbritannien ihre
Stellung als größte Seemacht gefährdet und versuchte diesen Status durch
Aufrüstung beizubehalten. Im Zuge dieser Entwicklung kam es, dass
Großbritannien die “splendid isolation” aufgab und Allianzen schloss.
c. Auswirkungen
i. Wirtschaftlich
Die Wirtschaft
Europas wuchs durch die Ausbeutung der Kolonien deutlich. Der kostengünstige
Zugang zu Rohstoffen und Arbeitskraft machte das Generieren von großen Gewinnen
in den Heimatländern möglich.
ii. Politisch
Territoriale Ansprüche
waren in Europa nur schwer durchzusetzen. Vor allem in Afrika und Amerika
konnte das Staatsgebiet jedoch erweitert werden, ohne das die eigene Integrität
in Europa geschwächt wurde. Kolonien wurden als Erweiterung des eigenen Staats-
und Einflussgebietes militärisch eingenommen und verteidigt. Anschließend
wurden die Rohstoffe der kolonialisierten Gebiete systematisch ausgebeutet um
die Wirtschaft des Heimatlandes zu fördern.
4. Ausblick
Die von Ruhe und
Sicherheit geprägte Außenpolitik Bismarcks wird abgelöst vom “Neuen Kurs” der
wilhelminischen Außenpolitik. Die destabilisierte Lage in Europa und
internationalen Spannungen führen zum ersten Weltkrieg, den Höhepunkt des
Imperialismus.
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